Die Brüderbewegung


Brüdergemeinden – die etwas andere Gemeindeform

Was sind Brüdergemeinden? – der Anfang in Großbritannien

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Zeit der sogenannten Erweckung, überall entstanden neue Gemeindeformen außerhalb der institutionellen Kirchen. So traf sich Ende der 1820 Jahre eine Gruppe von vier jungen Männern in Dublin(Nordirland) und begann mit dem gemeinsamen Bibelstudium. Etwas später entschieden sie sich auch gemeinsam das Abendmahl zu feiern. Das war für die damalige Zeit revolutionär und markierte den Beginn der Brüderbewegung; denn das war den jungen Männern ganz wichtig, man wollte keine bestellten Geistlichen, die den Gottesdienst leitete und das Abendmahl ausreichten, sondern es sollte allen Männern möglich sein, sich in den Gottesdienst einzubringen und das Abendmahl ohne festgelegte Liturgie zu feiern.
Einer dieser jungen Männer war John Nelson Darby, er hatte eine Ausbildung an Jurist durchlaufen, schlug aber die sich ihm ergebenden Karrierechancen aus und ließ sich zum anglikanischen Geistlichen weihen. Er kam jedoch zu der Überzeugung, wenn der Apostel Paulus heute leben würde, dann hätte er keine Chance, in den kirchlichen Dienst berufen zu werden. So verließ er die anglikanische Kirche und widmete sich ganz dem Aufbau dieser entstehenden Gemeindeform. Er reiste in viele Länder der Erde und schrieb eine Fülle von Kommentaren zur Bibel.

Wort und Tat gehören zusammen – Darby und Müller

Einer seiner Zeitgenossen war Georg Müller, der ursprünglich aus Deutschland stammte. Als er die soziale Not unter den Kindern der südenglischen Hafenstadt Bristol sah, gründete er gemeinsam mit seiner Frau ein Waisenhaus, ohne eine Organisation hinter sich zu haben, die das Projekt finanziell abgesichert hätte. Er und seine Frau vertrauten darauf, dass Gott ihn und die Kinder in ihrem Waisenhaus immer rechtzeitig versorgen würde und das geschah. Georg Müller ist als Waisenvater von Bristol bekannt geworden. Heute tragen eine Reihe evangelischer Bekenntnisschulen seinen Namen.
In der 1850er Jahren entstanden auch in Deutschland (und den Niederlanden) Brüdergemeinden, ohne dass Darby oder Müller, hier schon tätig geworden waren, sie kamen erst später in Kontakt mit den Gemeinden auf dem Kontinent.
Die wahrscheinlich erste Brüdergemeinde in Deutschland entstand 1853 in Wuppertal Elberfeld durch die Initiative von Carl Brockhaus. Schnell breitete sich diese Bewegung aus und überall entstanden „Versammlungen“ wie sich die Gemeinden nannten. Diesen Begriff hatte man vom griechischen „Ecclesia“ übernommen, ein Wort, was für eine allgemeine Versammlung der Bürger in der griechisch-römischen Zeit benutzt wurde. Jesus hatte zu Petrus gesagt: Auf diesen Felsen will ich meine „Ecclesia“ Versammlung bauen.“

Was eine römische Bürgerversammlung und eine christliche Gemeinde gemeinsam haben

Mit dieser Begrifflichkeit wollte man sich aber auch ganz eindeutig gegenüber dem Begriff und der Institution Kirche abgrenzen. Man „versammelte“ sich als gleiche Christen und gestaltete gemeinsam den Gottesdienst, ohne die Hilfe eines ausgebildeten und bestellten Geistlichem.
Ähnlich wie zur Zeit der Reformation als es geheißen hatte „ad fontes“ zu den Quellen, so wollten auch diese jungen Gemeinden zurück zu dem „wie es im Anfang“ war.
Und dazu gehörte auch, dass die Wiederkunft von Jesus sehr zeitnah erwartet wurde. Eine junge Adlige, Lady Pouwerscourt hatte die jungen Männer aus der entstehenden Brüderbewegung zu einer Konferenz auf ihr Landgut eingeladen, um sich dem intensiven Bibelstudium zu widmen. Der Schwerpunkt lag dabei auf den prophetischen Büchern der Bibel. Man kam damals zur Überzeugung, dass in der Zukunft wieder ein irdischer Staat des Volkes Israel entstehen würde. Diese Konferenzen fanden 1830 – 1832 statt, die erste jüdische Siedlung auf dem Grundgebiet Israels wurde 1899 gegründet.

„Die fünf Talente“ der Brüderbewegung

Aus diesem kurzen historischen Abriss werden die wichtigsten Punkte, die die Brüderbewegung kennzeichnete und immer noch kennzeichnet deutlich.
• Das allgemeine praktizierte Priestertum aller Gläubigen
• Die wöchentliche Mahlfeier (Abendmahl) als Gedächtnismal und nicht als Sakrament
• Das intensive Bibelstudium aller Gemeindemitglieder
• Die Erwartung der zeitnahen Wiederkunft von Jesus
• Die Verantwortung für Mission und Diakonie

Jugendliche Überzeugungen sind oft eine starke Motivation, eine Bewegung zu beginnen. Aber wie stellt man sicher, dass die Überzeugungen auch weiterleben und weitergetragen werden? Diesen Herausforderungen sahen sich auch die meistens jungen Gemeindegründer gegenüber.
Da das persönliche und gemeinsame Bibelstudium so wichtig war, brauchte man eine möglichst wortgenaue Übersetzung der Bibel, damit auch die Gemeindemitglieder, die kein hebräisch und griechisch konnten, was ja die Regel war und ist, eine Übersetzung hatten, die dem Urtext so nahe wie möglich kam. So entstanden in den verschiedenen Ländern neue Übersetzungen. John Nelson Darby übersetzte ins Englische, nach dem Niederländer Cornelius Voorhoeve ist die „Voorhoeve Vertaling“ der niederländischen Brüderbewegung benannt und in Deutschland übersetzte Carl Brockhaus gemeinsam mit Josef van Poseck und zum Teil mit Hilfe von John Nelson Darby die Bibel ins Deutsche. Sie erschien im Brockhaus Verlag in Wuppertal Elberfeld und so heißt sie bis heute, die Elberfelder Übersetzung.

Warum die Elberfelder Bibel so heißt

Durch das intensive Bibelstudium waren „den Brüdern“ auch manche Aussagen der Bibel wichtig geworden, die sie im bestehenden kirchlichen Liedgut nicht zurückfanden, bzw. wo sie mit verwendeten Formulierungen nicht einverstanden waren. So dichteten sie selber viele neue Lieder und gaben dann die „kleine Sammlung geistlicher Lieder“ als Liederbuch heraus – bis heute ist diese Sammlung an Liedern, die sich heute im Liederbuch „Glaubenslieder“ befindet (und wesentlich umfangreicher ist als die erste Ausgabe) die Liederbasis für die meisten Gemeinden und Gottesdienste.

Unpolitisch, unauffällig und doch verboten

Die Brüdergemeinde traten nach außen hin meistens sehr zurückhaltend auf und von politischen Stellungsnahmen oder gar Einmischung war man sehr weit entfernt und eine formale Organisationsstruktur gab es nicht. Vielleicht war es gerade des Letzte, was sie in den Augen der seit 1933 herrschenden Nationalsozialisten verdächtig machte, und so wurden die christlichen Versammlungen in der bestehenden Form 1937 verboten. Einzelne ihrer Reiseprediger waren vorher schon durch die Gestapo verhört und teilweise auch festgenommen worden. Jetzt mussten sich alle Gemeinden entscheiden, entweder in den Untergrund gehen, oder sich als Gemeinden registrieren lassen und in einen Bund mit den Baptisten eintreten. Ungefähr 10 % entschieden sich für den „Untergrund“ die meisten der damals bestehenden 700 Gemeinden schlossen sich dem Bund Evangelisch Freikirchlicher Gemeinden an.
Nach dem Ende des Krieges 1945 stand man vor einem Dilemma, im Bund mit den Baptisten bleiben oder wieder so, wie vor dem Verbot? Ein Teil der Gemeinden entschied sich für den Verbleib im Bund, ein anderer Teil verließ den Bund, wollte aber auch nicht im gleichen Stil, wie vor dem Verbot weitermachen und bildete den sog. Freien Brüderkreis. Die Gemeinden die in den Untergrund gegangen waren, aber auch andere, die im Bund waren bildeten die dritte Gruppe, die meistens als die „geschlossenen Brüder“ oder „die Exklusiven“ angedeutet werden.
So hatte der verheerende Einfluss des Nationalsozialismus auch zu einer Spaltung der Brüderversammlungen geführt, die bis heute so bestehen.
Die Gemeinden die im Bund blieben schlossen sich zum Arbeitskreis der Brüdergemeinden (AGB) zusammen und haben ihren Sitz in Bergneustadt Wiedenest, wo sie seit dem Krieg auch eine Bibelschule betreiben, die aus Berlin nach Wiedenest verlegt wurde. Seit 2017 heißen sie offiziell AGB Christus Forum Deutschland

Wo liegen Dillenburg und Wiedenest?

Die „freien Brüder“ gründeten einen Verlag mit Sitz in Dillenburg, wo auch ihre jährliche Bibelkonferenz abhalten – die jetzt in Haiger durchgeführt wird. Deswegen spricht man auch gelegentlich von den „Wiedenester Brüdern“ und die „Dillenburger Brüder“
Gottes Gnade ist groß und so arbeiten die beiden Gruppierungen auf vielen Feldern der geistlichen Arbeit zusammen bzw. nutzen die jeweiligen Ressourcen der jeweils anderen Gruppierung.
Es gibt eine Vielzahl von Initiativen und Angeboten innerhalb der Brüder Bewegung, die alle interessierten Christen nutzen können.

Die Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg (CV) ist Herausgeberin von Bibeln, Bibelauslegungen und Bücher, die sich mit den unterschiedlichsten Themen der Gesellschaft aus biblischer Sicht auseinandersetzen. Hier erscheint auch sechsmal jährlich die Zeitschrift „Perspektive“, die sich auch mit schwierigen Fragestellungen der Theologie und des praktischen Lebens als Christ auseinandersetzt.

Die christliche Jugendpflege (CJ) bietet eine Fülle von Veranstaltungen für Jugendliche, wie die STEP Konferenzen, Freizeiten, Missionseinsätze usw. Außerdem gibt sie einen Jugendkalender heraus und stellt die APP 365 Steps bereit.

CRG Reisen gemeinnützige GmbH betreibt ein Ferienhotel in El Bergantie an der Costa Brava in Spanien und ein kleines Freizeitheim in Basdahl (Nähe Bremervörde) außerdem tritt sie als Reiseveranstalter für eine Vielzahl von Reisen auf, die der Erholung mit anderen Christen, aber auch dem Studium historischer Stätten dienen.
Die Barmer Zeltmission versteht sich als Dienstleister für Gemeinden und unterstützt diese bei missionarischen Einsätzen, die die Gemeinden für Ihre Orte durchführen möchten. Dazu stehen drei Zelte und drei Missionsbusse zu Verfügung.

Forum Wiedenest – ist die Bibelschule im gleichnamigen Ort, die durch die AGB Christus Forum betrieben wird

Brüdergemeinden – die etwas andere Gemeindeform

Heute gibt es ca. 350 Brüdergemeinden in Deutschland die sich zur AGB bzw. den „Freien Brüdern“ zugehörig fühlen. Auch wenn sich in den verschiedenen Gemeinden unterschiedliche Formen des Gottesdienstes entwickelt haben, so sind doch die Grundzüge, die sich in der Entstehungszeit ausgebildet haben, immer noch zu erkennen. Ein praktiziertes allgemeines Priestertum aller Gläubigen, in den Beiträgen zur Mahlfeier, den Bibel- und Gebetsstunden.
Die Predigten halten meistens die Männer der örtlichen Gemeinden, wobei auch hier die Gewohnheiten unterschiedlich sind. In manchen Gemeinden ist die Rednerliste im Voraus abgestimmt, in anderen Gemeinde entscheidet sich der Redner vor Ort zu Beginn des Predigtgottesdienstes das Wort zu ergreifen, wenn er sich dazu gedrungen fühlt. Wobei eine gute Kenntnis des biblischen Textes und die Fähigkeit diesen auszulegen und anzuwenden wichtige Voraussetzungen sind. Die Predigten sind im Allgemeinen deutlich länger als in anderen Gemeindeformen.
Die Mahlfeier wird in den allermeisten Gemeinden mit dem Lobpreis (Anbetung) kombiniert. Durch Gebete, Schriftlesungen und gemeinsame Lieder bringt man Gott ein „Opfer des Lobes“, d.h. man lobt Gott den Vater, man dankt Jesus für sein Kommen und Sterben und besingt die herrliche Zukunft, die den Christen zu warten steht, da ist eine große Vielfalt an Variationen möglich.
In vielen Gemeinden finden in der Woche Gebet und Bibelstunden statt, andere Gemeinden haben dies in Hauskreisen organisiert. Ergänzt werden diese Veranstaltungen durch spezielle Angebot für Kinder, Jugendliche, Frauen und Senioren.

Unsere Gemeinde in Bremen gehört zu den sog. Freien Brüdergemeinden wenn Sie in Ihrer Region oder auf Reisen nach einer Gemeinde dieser Art suchen, dann schauen Sie am besten unter http://www.freie-bruedergemeinden.de/gemeinden/ nach.

Bernd Linke Feb 2018